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Texte

TONI ATZBERGER, MICHAEL PRIEVER.

An Al Bernstein Edition 1996


Al Bernstein

AL BERNSTEIN, geboren 1949 in Österreich, verwurzelt seit 1979 in den USA, wo große Freiheit und Weite sein metaphorisch abstraktes Bildwerk inspirierte, bevor, »in concert with nature«, sein erstes handgedrucktes Künstlerbuch »The Florida book of plates« entstand, dem weitere handgedruckte Bücher und unzählige »Pigmentographs« folgten. »Pigmentografie« bezeichnet die selbst entwickelte »Drucktechnik« wonach alle Handabzüge, aufgrund des sensiblen Materials und der kosmischen Abspaltungen während der Herstellung, Originalanspruch erheben. Eine kleine Auswahl von »Pigmentographs« wurden 1997 in einem Projekt mit der »Deutschen Bahn AG« in dazu speziell umgebauten »Galeriewaggons« in Städten wie Karlsruhe, Frankfurt, Hamburg, Berlin, Dresden u.s.w. (24 Städte quer durch Deutschland) ausgestellt. Das bildnerische Schaffen umfasst über 900, meist großformatige, metaphorisch abstrakte Werke neben der ersten, klassischen Phase, die noch auf das objektive Erfassen der Dinge gerichtet ist…

In vier speziell dafür angefertigten »Galeriewaggons« der Deutschen Bahn AG u. a. »Pigmentografien« von Al Bernstein aus den Jahren 1980 bis 1992 auf Station in Stuttgart. Im Konvoi, (4. Waggon) das Environment »MEMORY WEAVES EVERY MOMENT«


Die abstrakten Werke

AL BERNSTEIN, CATALOGUE OF WORKS Volume I, Toni Atzberger, Al Bernstein Publishing International 1996

Al Bernsteins Abstraktionen erreichen in ihrer durchlichteten Raumtiefe grandiose Dramatik, repräsentativ dafür ist u.a. »RISE TO POWER« (P 572/90-1). Als jüngere, vor allem in den USA und Spanien verbreitete Hauptwerke der Abstrakten Werke Bernsteins gelten u.a. »CLIMAX, A PIECE OF WORSHIP« (P819/99), »ETHIC WORK I« (P 785/98), ETHIC WORK II « (P 786/98), SYSTEM OF ETHICS« (P 822/99) Für den bildnerischen Gedanken mancher seiner bis 1991 entstandenen Werke darf Bernsteins Aussage zu »THE APPEARANCE OF BLUE« (Diptychon, P 524/90) in entsprechender Modifikation als programmatisch gelten:
»Die Erscheinung der Farbe - die Explosion (The Bang), aus der die thematische Farbe sich aus dem Spektrum löst, ihre Energiefelder aufbaut und ihre volle Kraft entfaltet, ist einer dieser kurzen Erscheinungsmomente eines Energiefelds (…it´s one of the brief moments of the appearance of an energy field)«.

Bisweilen erst auf den zweiten Blick wird die Feinnervigkeit dieser, oft von ionenartigen »Mental Traces« durchzogenen, Großformate zugänglich, die auf Spontaneität beruhen - in metaphorischer Wiedergabe von der Verbundenheit des menschlichen Bewußtseins mit dem Überirdischen kündend - seine Werkkunst ins Multidimensionale steigert:
»Verschwenderisch mit Farbe umgehen, Neues sehen, fühlen, aufnehmen, entwichen aus der lähmenden Enge meiner Adoleszenz: Einschneidend die Erlebnisse aus den frühen 80er Jahren in Peru, die Weite und Stille in den Bergen, die sagenhaften Leopardenmenschen, (die sich als Bindeglied zwischen dem Göttlichen und der Menschheit verstehen), der Kontakt zu indianischer Kultur, die Faszination der Jahrtausende alten Nasca-Linien« - so beschrieb Al Bernstein damals seinen Schritt in die Abstraktion. Auf verschiedenen Weltreisen skizziert der Maler methodisch biologische bis astralphysikalische Wirkungsweisen der Pflanzen- und Tierwelt sowie menschlicher Siedlungsorganismen, er untersucht eth-nische Perspektiven (z.B. peruanische Bestattungsriten, Abschreiten der kilometerlangen »Nasca Geoglyphen« zusammen mit der Forscherin Maria Reiche), er erweitert traditionelle räumliche Darstellungsweisen um konzeptionell innovative Varianten sowohl in seiner Zeichnungs- wie Farbauftragstechnik (z.B. Auflösungsstudien der Elemente), und formt so seine Rezeption aus. Nicht unberührt ließen ihn ferner die avantgardistischen Philosophieströmungen des Pazifikraumes, welche die real präsente Newtonsche Weltsicht relativierend mit einem holistischen Postmechanismus zu kombinieren suchen. Studienblätter dazu wie etwa zum Triptychon »THE COLORFIELDS« (P 131/82-8) blieben weitgehend erhalten und erlauben uns ein einzigartiges Verständnis des Malers Al Bernstein und seiner Werkkontinuität.
Universelle, in metaphysische Bereiche hineingreifende Systemanalysen, und die Erprobung von deren visueller Transformation sowohl an den interkulturellen Schnittstellen New York, Miami, Los Angeles, Lima, Madrid und München wie auch weitab davon in den selbst den Resten ihrer Ureinwohnerschaft kaum zugänglichen Wüstenregionen von New Mexico und Peru, verliehen Al Bernsteins Schaffen jenen Schub, der ihn mit Kompositionen wie MANTO (Triptychon, P 459/88) Einzug in wohlsortierte Sammlungen moderner Kunst halten ließ: Die drei Paneele von »MANTO« reflektieren in Vollabstraktion den Lebensbegriff peruanischer Indios. »THE MARK« (P 469/88) mit seinen dreidimensional frei im Raum gelagerten Punktionsebenen greift über innovative Farbtechniken Bernsteins An-fang der 80er Jahre in New York durchgeführte (und dort von Prof. J. Fitzgerald diskutierte) Studien von Schwebephänomenen auf, um einen maritimen Nachtkos-mos unter Einfluß von Urbildern und frühgeometrischer Linienkunst in impressiver Tiefenwirkung zu abstrahieren.


»THE MYTHOLOGICAL CYCLE« : Diese auf den Balearen in der »Casa de los Artistas« der Fundacion Carlos Dudek entstandenen Blätter: »HERACLES´ TWELVE DUTIES« (D 425/88 bis D 436/88) dienten als Grundlage zum Kurzfilm »MORPHOSIS«. Bernstein kennzeichnet seinen Mythologischen Zyklus als Resultat seiner Naturmeditationen sowie des Nacherlebens der die Antike bewegenden Gedankenwelt - »recalling ancient thoughts« - und der im Mittel-meerraum entstandenen Heldenepen, die er zum Teil auch als Pigmentografien (siehe Kommentarteil: »Pigmentografie«) ausführte, und in nokturne Abstrak-tionen wie jene der beiden Diptychen »NYX THE NIGHT« (P438/88) und »HYPNOS« (P 437/88) umsetzte



Pigmentography
Die Pigmentografie, Pigmentogramm, eine von Al Bernstein erfundene, getaufte, verfeinerte Drucktechtnik, wonach jedes »Pigmentograph« Originalanspruch erhebt - ungleich zur Lithografie, Serigrafie, Ätzung, Stich…

Während das Pigmentogramm ein monotypisches Original ist, handelt es sich bei der Pigmentografie um eine grafische Technik der Bildübertragung aus der Gruppe der Durchdruckverfahren, wobei die Einzelabzüge von Hand von Al Bernstein vervollkommnet werden und aufgrund des jeweils unterschiedlichen Einsatzes von Einzeltechniken und Materialien Originalitätsanspruch erheben: So wandte der Maler in der Purpur-Pigmentografie seines Triptychons »FOR A. DUERER« (3 Handabzüge, G 126/81) ein Kombinationsverfahren aus Perforationsdruck und Pigmentografie an.

Al Bernstein zur Werkgeschichte und Technik: »Die Pigmentografie »FOR APELLES« (3 Handabzüge, G 124/81) mit ihrem charakteristischen Linienraster wurde von mir in New York 1981 dem antiken Linienkünstler Apelles gewidmet, der die panhellenische Welt während der Epoche Alexanders des Großen illustrierte und den antiken Geometriebegriff entscheidend mitprägte. Bei der Pigmentografie »THE SECRET« (G 125/81) folge ich Kandinskys Gedanken: »THE SECRET« handelt vom dunklen Bereich einer jeden Seele, analog den Black Holes im Kosmos. Oft verwende ich auch in der Pigmentografie die Linie - die ich aus Partikeln und Punkten zusammenstelle - zur näheren Beschreibung des Zustandes oder zur Verknüpfung mit den Spuren, die meine eigenen Gedanken hinterlassen, wenn sie über Bilder streifen. Meine Bilder sind »Cosmic Traces«, kosmische Spuren mit realistischer Abbildung des Moments ihrer Entstehung, so auch die Pigmentografien »FIRST LETTER« (3 Handabzüge, G 122/81) und »SECOND NOTE« (3 Handabzüge, G 121/81) und »TRACES IN THE SKY« (3 Handabzüge, G 206/85). In den von Hand gedruckten Büchern (G 199/85-1) »CROMATICS«, (G 215/85-1) »A THEORY OF COLORS«, sowie (G 201/85-1) »THE FLORIDA BOOK OF PLATES« - habe ich einige Möglichkeiten, die mir dieses Medium »Pigmentografie« bietet, aufgeführt«.
Al Bernstein weiter: »Diese Durchdrucktechnik, der ich selbst den Namen »Pigmentografie« gab, verwende ich seit 1967 und habe sie inzwischen - bis hin zum realistischen Vielfarbendruck - weiter vervollkommnet. Mit keinem anderen Druckmedium lassen sich für mich derartige Spontaneität und Gesten als Datenträger über alle Strukturen jeweils »Handabzug für Handabzug«, von Blatt zu Blatt, individuell übertragen. Mit der Pigmentografie habe ich mir die Möglichkeit geschaffen, die tatsächlichen Spuren und Erscheinungen, die ein Image umgeben und zum Leben erwecken, mit allen Einflüssen geistiger und kosmischer Natur als Unikat auf das Blatt zu bringen: Somit ist jede einzelne meiner Pigmentografien ein Original für sich selbst, eine variierende Originalspur aus der »Erscheinungskette« eines Images. Ein Urbild. Staub im Bann kosmischer Kräfte als Gegenstück zum Icon Schatten.«
Vgl. Al Bernstein: »Kodifizierte Werte«, 1996, »THE FLORIDA BOOK OF PLATES« (G 2O1/85-1 ff.), or »CROMATICS« (G 199/85-1 ff.),or »A THEORY OF COLORS« (G 215/85-1 ff.), also Al Bernstein: »Codified Values«, 1996.

Die Zeichnungen

Unter den vielfältigen künstlerischen Ausdrucksformen ist die Handzeich-nung die spontanste Bildmitteilung. Die Handzeichnung als Studie und Vor-zeichnung ist dank der Einfachheit ihrer Herstellung, ihres Materials sowie ihres Strichs als künstlerisches Hilfsmittel eine Vorstufe zu einem Werk. Andererseits gewinnt sie durch die Ausprägung spezifischer Eigenschaften autonomen Charakter (vgl. »Autonome Zeichnung«). Hauptqualität der Handzeichnung ist stets ihre Unmittelbarkeit, denn die künstlerische Mitteilung wird nicht nur vom intellek-tuellen Inhalt, sondern durch die Interpretation bestimmt. Je knapper, je einfacher diese erfaßt wird, desto eindringlicher ist die Wirkungskraft. Die Zeichnung mag zur Schönheitssuche, Proportions- und Standortfindung dienen oder eigenständiger Ausdruck sein- jede ihrer Linien fängt einen Moment der Vision und Ahnung ein.
Thematisch greifen einige von Al Bernsteins älteren Zeichnungen - wie bei den 1979 entstandenen Werkvorbereitungen zu »THE KISS« (M 099/79), »ABADDON - ANGER OF GOD« ( P 100/79) sowie zu verschiedenen Portraits und Selbstportraits - den biblischen Bildnisbegriff auf; der Schwerpunkt seiner Portraitzeichnungen liegt jedoch auf der physiognomischen Studie von Gemüts-zustand und Ausdruck, bisweilen auch visionär wie in der Reihe »A PERUVIAN SHAPE-SHIFTING« (D 177/85 ff.). Ferner schätzt Bernstein das Profilportrait als Möglichkeit zur schärferen Charakterisierung seiner Modelle.
Genrezeichnungen sowie Zeichnungen zu profanen Motiven fertigte Bern-stein vor allem in Peru und in den USA an: Insbesondere die metropolitanen Räume von Lima und Miami boten dafür reichlich Gelegenheiten, ferner manche rurale Gegenden der beiden amerikanischen Kontinente und wiederholt auch die Viel-fältigkeit europäischer Regionen.
Zeichnerisch ausgeführte Stilleben wie das 1984 in den USA entstandene »PINEAPPLE« (D 142/84), ebenso »ORCHIDS« (D 143/84), erlauben gleichsam einen anatomischen Einblick in Bernsteins zeichnerische Techniken, da bei diesen Sujets der Bildaufbau bis hin zum weiterführenden Aquarellieren in allen seinen Stadien nachvollziehbar wird. Das 1987 in Holland entstandene »ROSES« (D 321/ 87-1) wiederum verwendet die Bildsprache des Stillebens als eines der möglichen Medien zur Darstellung elementarer Spurensysteme; vgl. Kommentarteil: »Tech-niken und Medien« ab Seite 48.
Die direkte Abbildungsqualität der Zeichnung bindet flüchtige Momente, wie sie in Bernsteins Tier- und Landschaftsdarstellungen festgehalten sind: Die Affengesellschaft in D 244/85 ff. »MONKEYS« oder die in D 382/88-1 /2 »WILD DUCK« bzw. »THE WILD DUCKS« skizzierten Wasservögel repräsentieren die klassische Tierstudie und die Reduktion. Noch komplexer verfährt Al Bernstein bei der Landschaftszeichnung: Ein weites Spektrum zieht sich vom Idealbild der Romantik über den Realismus bis hin zum Symbolismus einschließlich der in die Abstraktion überleitenden Codierung naturaler Energietransmission.

Die Autonome Zeichnung Al Bernsteins ist ein Kunstwerk für sich. Sie ist die direkte Umsetzung des erstrebten Zieles, manchmal die letzte Möglichkeit eines absolut eigen-ständigen, unverfälschten Ausdrucks. Ihre Expression, Detailtreue oder Ähnlichkeit, Größe oder Miniaturisierung, Effektsicherheit und Geschicklichkeit kann hochgradige Virtuosität erreichen. Oft werden hierfür vom Künstler spezielle Materialien und Techniken verwendet, die die beabsichtigte Stellung der Zeichnung als eigenständiges Werk und nicht als Skizze, Studie oder Vorzeichnung kennzeichnen, wie das Silberstift »SELFPORTRAIT VANITAS« (D 332/87), weiter »SOUTH-AMERICA« (D 275/86) Federkiel und Bister, »LA PERUANA« (D338/87) Ball-point, »HARDING STREET« (D 154/84) Sepia laviert und »LIONSPARK 11 PM« (D 155/84) Tusche, Pinselzeichnung, u.a. Vgl. Kommentarteil: »Techniken und Medien« ab Seite 48, auch Al Bernstein: »Kodifizierte Werte«, 1996.

Kürzungen, reduzierte Darstellungen in Chiffren, deren Zeichen sowohl vom Betrachter wie Hersteller sinngemäß begriffen werden, verwendete Al Bernstein beispielsweise bei »PLANTS« (D 147/84), einem Großformat auf Konstruktions-papier: Die verschiedenfarbig schraffiert wiedergegebenen Bereiche markieren hier die Zonen des pflanzlichen Energietausches. In der »SAN ANTONIO« Serie (ab D 364/88) und den südamerikanischen Blättern erscheinen atmosphärische Wechsel-wirkungen der Regenwälder des Amazonasgebietes »BUSHES ON THE AMAZON«, (ab D 404/88), wie auch die atmosphärischen Wechselwirkungen des metro-politanen Lima und seiner am Pazifik gelegenen Küstenvororte »MIRAFLORES« Blätter (D 389/88 ff.) als Farbcodes.
Bernsteins Reduktionen erinnern damit - dem Zen-Kenner verständlich - an antike Haikuillustrationen (japanische Poesie) und symbolisieren gleichwohl eindringlich die aktuelle Umweltthematik.Vgl. Kommentarteil: »Techniken und Medien« ab Seite 48, auch Al Bernstein: »Kodifizierte Werte«, 1996.

Die Kürzel in Al Bernsteins abstrakter Zeichnung vermitteln assoziativ erlebte Emotion. Diese »kodifizierten Informationen« erlauben nicht immer eine präzise verbale Definition, darauf anwendbare Qualitätskriterien sind jedoch: Spontaneität, Sicherheit des Strichs, Proportion, Spannungsgestaltung, Beherr-schung des Kräftefelds in der Fläche, größtmögliche Vielheit. Vgl. Pinselzeichnungen D 425/88 bis D 436/88: »HERACLES´ TWELVE DUTIES« aus dem »MYTHOLOGISCHEN ZYKLUS«, sowie D 120/81-1 ff.: »THE NOTE«, »MORE NOTES«, ferner D 131/82-1 bis D 131/82-7: »THE COLORFIELDS«, und auch D 221/85: »ABSTRACT STUDY«. Vgl. »Pigmentografie« und Al Bernstein: »Kodifizierte Werte«, 1996.


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